Wenn’s rund geht, ist Halt(ung) gefragt – Führungskräfte müssen der Fels in der Brandung sein
Ob uns das gefällt oder nicht: Menschen, die in klar abgegrenzten Hierarchien lange und erfolgreich gearbeitet haben, werden nicht über Nacht zu bereichsübergreifenden Netzwerkern, wenn man Strukturen verändert und Prozesse digitalisiert. Die Sache hat nämlich einen Haken: Die Veränderung von Strukturen, Prozessen und Kommunikationslinien verändern die Organisation, die Menschen in der Organisation bleiben jedoch dieselben. Menschen reagieren auf Veränderungsprozesse bis heute mit den Jahrtausende alten Mustern von Flucht oder Aggression. In der Unternehmenswelt heißen diese Verhaltensmuster Stress, Frustration, Obstruktion, passive oder aktive Verweigerung bis hin zur inneren oder äußeren Kündigung.
MitarbeiterInnen sind mit Veränderungen in ihren Aufgaben, Teams und Kollegen konfrontiert. Sie verlieren Vertrautes und tauschen es ein gegen Unbekanntes, Unsicheres und Forderndes. Das Versprechen, wir werden besser, schneller, größer und bedeutender ist für die MitarbeiterInnen erstmal eine Wette auf die Zukunft. Und Wetten kann man bekanntlich gewinnen oder verlieren. Wie schaffen es also Menschen, Veränderung in ihr Leben zu integrieren, produktiv zu gestalten und andere mitzunehmen auf die Reise? Was bedeutet dies für Veränderungsprozesse in Unternehmen?
Beziehung schafft Vertrauen
In welchem Ausmaß jemand Veränderungsprozesse positiv oder negativ erlebt, hat sehr viel mit der subjektiven Wahrnehmung zu tun. Der aus meiner Sicht entscheidende Faktor für eine positive Wahrnehmung von Veränderung ist die Qualität der menschlichen Beziehungen im Unternehmen. Gute Beziehungen liefern brauchbare Bewältigungsmuster und positive Bewältigungserfahrungen. Anders ausgedrückt: Wenn das Schiff ordentlich durchgerüttelt wird, braucht man Vorbilder, fixe Haltepunkte und gute Orientierung. Man muss sich aufeinander verlassen können, speziell wenn es darum geht, von MitarbeiterInnen neue Fähigkeiten, Rollen und Verhalten zu verlangen, also Herausforderungen anzunehmen. Es ist für den Unternehmenserfolg entscheidend, dass eine wertvolle Mitarbeiterin/ein wertvoller Mitarbeiter am nächsten Montag wieder zur Arbeit erscheint und sich aktiv einbringt und nicht nur über ´die da oben´ lamentiert.
Agilität verlangt Resilienz
Die meisten von uns haben gelernt, in hierarchisch aufgebauten Unternehmen mit klar abgegrenzten Zuständigkeiten zu funktionieren. Dieses System wird der Rasanz von Veränderungen im Business nicht mehr gerecht. Leistung anordnen und kontrollieren ist zu langsam. Gefragt sind Initiative, Kooperation, Lernen und Eigenverantwortung – Kompetenzen, die Unternehmen schnell und flexibel machen. Das heißt Agilität. Um das neue Verhalten zu erlernen, braucht es Führungspersönlichkeiten, die Halt und Rückhalt geben, ermächtigen und integrieren, statt sich selbst zu inszenieren. Dies erfordert von diesen persönliche Resilienz, also die Fähigkeit, Herausforderungen durch ihre Haltung, soziale Kompetenz und mentale Stärke zu meistern. Agilität und Resilienz sind die zwei Seiten derselben Medaille. Je mehr Agilität im Unternehmen gefordert ist – umso mehr Resilienz braucht es in der Haltung von Führungskräften. Führung muss der Fels in der Brandung sein, MitarbeiterInnen abholen, die Selbstwirksamkeit der MitarbeiterInnen stärken, also Mut, Leistungsstreben und autonomes Handeln fördern.
Haltung gibt Halt
Das Top-Management muss Sinn stiften und glaubwürdig erklären, warum und für wen wir uns verändern. Die gemeinsame, geteilte Vision macht es möglich, Bestehendes zu verändern und Neues zu schaffen. Je mehr ‚Opfer‘ von den MitarbeiterInnen verlangt werden, umso attraktiver muss das Bild der gemeinsamen Zukunft sein. Die zweite Ebene muss Veränderung umsetzen und stößt dabei nicht nur auf enthusiastische MitarbeiterInnen, sondern oft auf Skepsis und Abwehr (s. oben). Betroffene Führungskräfte geraten dann häufig in die Zwickmühle zwischen MitarbeiterInnen und Firmenleitung. Sich selbst und MitarbeiterInnen stärken ist die kommende Schlüsselkompetenz einer Führungskraft. Ein guter Umgang mit Menschen braucht eine gute Selbst-Wahrnehmung, ein balanciertes Selbstbewusstsein, Mut zur Nahbarkeit und eine grundsätzlich wertschätzende Haltung sich selbst und anderen gegenüber.
Die „Fünf S“ für eine starke Haltung
Souverän – Sie kennen Ihre Stärken, vertrauen auf Ihre Fähigkeiten, stehen Konflikte durch, sehen Misserfolge als wichtige Wegweiser. Sie leben und fördern Lust am Lernen und Ausprobieren.
Sichtbar – Sie haben eine Meinung und bringen sie konstruktiv ein. Sie haben Mut zum Ja-Sagen und Mut zum Nein-Sagen.
Selbstbestimmt – Sie sind der Experte/die Expertin für Ihr Leben, lernen, mit schwierigen Situationen umzugehen, Lösungen zu finden und Perspektiven zu entwickeln.
Sinnerfüllt – Sie kennen und schätzen den Sinn in Ihrer Arbeit, fördern das Miteinander und den wertschätzenden Umgang mit MitarbeiterInnen und mit Menschen generell.
Selbst-bewusst – Sie stehen zu sich, Ihrer Identität, Ihren Werten, Ihrem Selbst mit Stärken, Schwächen und Widersprüchen. Sie sind “sich-selbst-bewusst” und agieren umsichtig und authentisch. Sie haben Mut zur Menschlichkeit.
Coaching für persönliches Wachstum
Coaching kann hier zum entscheidenden Faktor werden und zu einer win/win Situation für Unternehmen und MitarbeiterInnen führen. Es eröffnen sich eine Reihe spannender und sofort umsetzbarer Interventionen speziell im Verhalten von Führungskräften. Die Art und Weise wie Sie als Führungskraft denken, fühlen und handeln hat unmittelbaren Einfluss auf Ihre MitarbeiterInnen.
Coaching und Mentoring Techniken, die Sie bei Veränderungsprozessen wirksam einsetzen können:
Aktives Zuhören: Bei großen Emotionen wie Schock, Verneinung, Wut – zulassen, anhören und die Situation erst einmal anerkennen.
Feedback: Unmittelbares, sachliches und ehrliches Feedback. Wenn Kritik, dann konstruktiv, niemals die Person an sich abwertend. Lob und Anerkennung nur uneingeschränkt (kein „das ist gut, aber ….“)
Verbinden: Vermitteln und fördern Sie Verbindungen mit Kollegen, die über ein bestimmtes Wissen/Erfahrungen/Verhalten verfügen, das der/die MitarbeiterIn für seine/ihre Entwicklung braucht. Etablieren Sie ein internes/externes Mentoring System.
Visionäre, Macher und Kritiker zulassen und miteinander in Beziehung bringen. Den Unterschied ehren statt werten.
Augenhöhe: Fördern Sie Erwachsenenhaltung auf Augenhöhe – klare Zielsetzungen und Vereinbarungen, kein Micro-Management und kein `helikopter parenting‘.
Qualität statt Quantität: Nicht auf die Anzahl oder Häufigkeit der Gespräche kommt es an, sondern auf zielgerichtetes und konstruktives Eingehen auf Anliegen und Probleme.
Die Arbeit an Ihrer persönlichen Grundhaltung lässt Sie als Führungskraft wachsen, macht Sie berechenbar, vertrauenswürdig und zu dem wichtigen Anker, den Menschen in unsicheren Situationen brauchen.